Am Samstag klingelt der Wecker. Ich hatte ihn mir gestellt, weil ich einiges zu erledigen hatte, aber mein erster Gedanke im Halbschlaf war: Muss ich denn schon wieder arbeiten? Das Wort des Tages wurde deshalb „Dummerhaftigkeit“.

Am Sonntag genieße ich den (relativ) ruhigen frühen Morgen. Wieder einmal die frühere Blognachbarin vermissend, mit der ich mich überworfen habe, weil ich mich von einem anderen Blognachbarn nicht öffentlich distanzieren wollte. Man muss das verstehen: Nachbarschaft mit mir ist nicht gut für den guten Ruf. Besser also, man distanziert sich öffentlich von mir. Ich wüsste ja gerne, ob ihr das wieder Zutritt zu den gewünschten Kreisen verschafft hat.

Die österreichischen Buben, auch das Schlagbohrerballett genannt, renovieren immer noch die Wohnung des Herrn von Oben, aber zur Zeit ohne Kreisler-Lieder. Wir müssen ab nächsten Monat wieder 40% unserer Arbeitszeit im Büro verbringen. Versäumen wir Tage, an denen wir Büropräsenz hätten, wegen Krankheit oder Urlaub, so müssen die Bürotage nachgeholt werden, was beweist, dass es eben nicht um Arbeitsleistung sondern um Präsenz geht.

Blogs, in die keiner mehr etwas schreibt, fliegen von meiner Linkliste, behaupte ich. Ganz wahr ist das nicht, einige sind noch da, obwohl seit Monaten oder (in einem Fall) seit Jahren keine neuen Einträge erscheinen.

Ich lese „Afghanistan – unbesiegter Verlierer“ von Natalie Amiri. Sehr weit gekommen bin ich noch nicht, und ich weiß auch nicht, ob sie alles richtig beurteilt, aber Amiri liebt Afghanistan, das spürt man in jedem Satz.

Freund B und ich klären Missverständnisse. Missverständnisse kommen vor, wenn ein Talib und eine europäische Feministin versuchen, trotz allem Freunde zu sein. Freund B schwankt zwischen geistigem Hardlinertum und praktischer Liberalität. Er wünscht sich Frieden, Ruhe und Ordnung um fast jeden Preis und – das muss man verstehen und einbeziehen – freut sich, weil Afghanistan zur Abwechslung einmal kein besetztes Land ist. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass die Taliban in Teilen der afghanischen Bevölkerung Unterstützung finden. Ich will das nicht beurteilen, ich weiß immer noch zu wenig über afghanische Politik und Geschichte. Die Praxis des Überlebens in Afghanistan muss eine andere sein als in Europa.

Am Feiertag telefoniere ich mit Schwesterlein. Unter anderem diskutieren wir den unterschiedlichen Umgang unserer Arbeitgeber mit Home Office, Test- und Maskenpflicht.

Auf dem Balkon bekommt der Lavendel Knospen. Die Erdbeeren färben sich ganz leicht rosa. Der Jasminblütige Nachtschatten, der letztes Jahr pausiert hat, schickt sich auch schon zum Blühen an. Zu früh im Jahr.

20.04.2022

Am Bahnhof der Zug aus Budapest. Viele Ukrainer*innen, darunter auch Roma in wunderschöner Tracht. Der Zentralrat der Sinti und Roma hat eine Seite mit Informationen zur Situation der ukrainischen Roma erstellt.

Vielleicht sollte ich die Küche wieder streichen. Leuchtend blau, wie die Hoffnung auf bessere Zeiten. Wie der Flug, wie die Freiheit.

Auf dem Balkon grünt es; die Nelke, die Unentwegte, blüht schon wieder. Die Johannisbeere blüht kein bisschen. In all den Jahren, die sie bei mir am falschen Platz steht, hat sie fünf Beeren getragen, aber die waren äußerst wohlschmeckend. Bald ist es wieder Zeit für eine confiture des vieux garçons (und warum nicht: des vielles filles).

„Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.“ Ich bin wieder bei Goya angekommen, vor allem bei seinen Desastres de la Guerra.

04.04.2022

Der Paravent auf dem Balkon ist umgestürzt. Ich mache mir nicht die Mühe, ihn aufzurichten. Solange das Wetter ist, wie es ist, wird er wieder umstürzen. Außerdem brauche ich gerade ohnehin keinen Sonnenschutz.

Kriegsverbrechen russischer Soldaten in der Ukraine. Sie gehen mir nahe, aber ich kommentiere sie so wenig wie möglich. Ich kann gar nichts tun, das ist die banale und schreckliche Wahrheit. Was sollen also Worte?

Ich lese, ich schreibe, ich lenke mich ab. Das Mütterlein fantasiert vom Tyrannenmord. Wäre sie seinerzeit alt genug gewesen, wäre sie über die Grenze gegangen und hätte sich der Résistance angeschlossen, davon bin ich überzeugt. (Ein Hitlervergleich. Das gehört sich nicht, ich weiß.)

Wenigstens habe ich den Thymian über den Winter gebracht, und auch der Rosmarin hat sich ganz prächtig erholt. Man muss doch einen Fuß vor den anderen setzen. Diese Erde wird noch da sein, wenn wir alle längst vergangen sind. Das ist auf eine gewisse Weise sogar tröstlich.

30.08.2021

Angefangen: Eva Demskis Neue Gartengeschichten. Nun schäme ich mich meines vernachlässigten Balkons. Es geht um Pandemie und Gärten, oder auch Gärten während der Pandemie.

Beendet, in der vorigen Woche: Razia, von Abda Khan.

In Afghanistan scheint der IS ein neues Geschäftsfeld eröffnen zu wollen. Ja, ich nenne das Geschäftsfeld, weil ich nicht glaube, dass es hier um Religion geht, eher um Macht. Afghanistan hat, meine ich, einiges zu bieten, wobei ich dem IS zutraue, dass er ins Geschäft mit dem Mohn einsteigen will. Religion ist ja oft ein Vorwand, siehe Kreuzzüge und Gewürzhandel.

Der Lavendel hat noch einmal Blüten angesetzt. Die dunkelroten Bartnelken blühen. Die schwarze Johannisbeere ist übellaunig; aber das wäre ich an ihrer Stelle auch, wenn man mich nicht düngen würde. (Ich gelobe Besserung.) Dafür haben sich die Kräuter im Regal erholt. Der Jasminblütige Nachtschatten wächst, blüht jedoch noch nicht. Er ist aber häufiger spät dran, oder vielmehr war er in den letzten zwei Jahren immer zu früh aktiv.

Man redet von Herbst, wo doch noch Nachsommer ist. Allerdings wehte dieses Jahr der Nachsommerwind zum ersten Mal Ende Juni, Anfang Juli. Der wilde Wein am Friedhof wird rot, die Goldrute, die mein 1939 geborener Vater Trümmerflora nannte, verkündet das nahe Ende des Sommers.

14.04.2021

Kalt fängt der Tag an.

Ein böser Gedanke: wenn Söder und Laschet sich gegenseitig ausbremsen, dann… Aber ich habe auch nicht viel Hoffnung, was die Kandidaten der Roten und der Grünen betrifft.

Es ist die Rede von Triage. Ich hoffe, Bevölkerung und Politiker*innen lernen aus dieser Krise, aber ich bin lange genug auf der Welt, um zu wissen, dass das sehr unwahrscheinlich ist. Um mich herum viel Unvernunft.

Das alles wird möglicherweise zu einer Politikverdrossenheit führen, und Verdrossene sind anfällig für Totalitäres und „einen starken Mann“.

Kevin(a) from Microsoft ruft wieder an, als ich gerade selbst dienstlich telefoniere. Jedenfalls nehme ich es an, ich hebe nicht ab. Die Vorwahl passt zu den anderen Fake-Anrufen der letzten Tage. In der Gegend kenne ich niemand.

Im „Büro“ – ich sage immer noch „im Büro“, obwohl ich es schon lange nicht mehr betreten habe – zwei Telefonkonferenzen, beide ohne besondere Vorkommnisse. Ansonsten sehr wenig zu tun. Zwischendurch hüpfe ich immer mal wieder auf Twitter, wo aber auch wenig los ist.

Auf dem Balkon zeigen der Liebstöckel und der Jasmin erste grüne Blättchen, auch das Bergbohnenkraut scheint wiederzukommen. Die schwarze Johannisbeere hat kräftige grüne Blätter.

Ich lese weiter in der Biografie und sehe eine Folge einer Krimiserie auf Arte.

Der Tag endet kalt.

29.03.2021

Am Sonntag habe ich trotzig Osterschmuck in die Balkonpflanzen gehängt. Es ist zu früh, aber ich brauchte etwas Hoffnungsfrohes. Die schwarze Johannisbeere hat grüne Blätter bekommen, die im letzten Jahr brutal zurückgeschnittenen Bartnelken treiben aus. Die Pfefferminze kommt wieder, der Salbei auch, Thymian und Rosmarin haben eventuell den Winter noch nicht überstanden.

Am Nachmittag Dienst im Notruf. Die Reisewelle rollt, wenn auch etwas weniger als in früheren Jahren. Wer weiß, was diese Woche noch kommt.

Abends Kartoffelsuppe, aus dem Glas. Ich würze mit Majoran und Pfeffer nach.