Die Stadt riecht nach Sommer, sagte Mitzi Irsaj kürzlich. Nach Schwimmbad, meine ich. Noch fast drei Wochen Urlaub liegen vor mir, und ich freue mich auf eine Fahrt an den See. Zunächst aber wurde ich zum ersten Mal geimpft, und zwar bei meinem Arbeitgeber. Da ich Urlaub habe und nicht an den Schreibtisch zurück muss, komme ich endlich dazu, mir zwei für meine wieder langen Haare dringend benötigte Haarspangen zu kaufen.
Ein Einschub zur Impfung: Mir ist nicht ganz wohl dabei. Die Firmen impfen, das kann man sich vorstellen, nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern in der Hoffnung, so bald als möglich zum normalen Betrieb zurückkehren zu können. Möglicherweise haben große Konzerne wie der, bei dem ich mein Brot verdiene, Druck auf die Politik ausgeübt, um impfen zu dürfen. Im örtlichen Impfzentrum wäre ich jedenfalls noch lange nicht an der Reihe. Andererseits schaue ich einem geschenkten Gaul nicht ins Maul. Letztendlich wird durch die Impfungen in den Betrieben das hiesige Impfzentrum entlastet. Trotzdem bleibt das Gefühl der Vorteilsnahme.
Ich hole die Sommerkleider aus dem Keller. Ich, die ich Einkaufen hasse, möchte mir ein Kleid kaufen. Nicht bestellen, in einem Geschäft kaufen.
Erinnerungen an Frankfurt beim Lesen in Eva Demskis „Scheintod“. Eva Demski muss zur Generation meiner Lehrer*innen gehören, die – meist auf irgendeine Weise links – ebenfalls von abgehörten Telefongesprächen und konspirativen Treffen erzählten. Wie konspirativ diese Treffen wirklich waren, oder ob da – analog zu Gertrud von Le Forts Konvent – eine Gruppe linker Intellektueller ein bisschen „Martyrium spielte“, weiß ich nicht. Ein paar Jahre früher hatten wir als Kinder „Baader-Meinhof-Bande“ gespielt, was eine Abwandlung von Räuber und Gendarm war, und wobei die weniger angesehenen Mitglieder der Clique die Polizist*innen spielen mussten. Obwohl mein Status in der Hierarchie das eigentlich nicht hergab, spielte ich eine Terroristin. Es muss an meinem Vater gelegen haben, der ein stadtbekannter „Roter“ war, dass man mir diese Rolle übertrug.